"Ausbrechen" - der Siegertext des Poetry Slam von Katharina Jun
Ausbrechen
Manchmal möchte ich ausbrechen.
Zumindest für den Bruchteil einer Sekunde.
Kurz Stopp schreien, um dann leise aus dem Zug,
der sich Leben nennt,
ein ICE mit überhöhter Geschwindigkeit,
zu wenig Haltestellen, auszusteigen.
Ein Käfig bleibt ein Käfig,
ob aus Gold, Haut oder Liebe,
bleibt es doch ein Käfig.
Manchmal fühle ich mich wie ein kleines Kind,
noch nicht sicher, was mir schmeckt.
Möchte doch noch so vieles schmecken, probieren.
Doch die Verantwortung des eigenen Daseins holt einen schnell ein.
Manchmal sitze ich in der Bahn und frage mich,
was würde passieren, wenn ich nicht aussteige,
mich einfach Bahn treiben lasse, bis zur Endstation und zurück.
Was könnte groß passieren?
Unerlaubtes Fehlen am Lebensplatz.
Würde mir das Leben eine Standpredigt halten,
mich abmahnen?
Manchmal wünschte ich, das Leben würde kurz innehalten.
Nur kurz, nur einen Atemzug lang...
nur um mich selbst atmen zu hören...
Und während ich darüber nachdenke,
öffnen sich die Türen der Bahn und ich steige aus....
Nur einen Augenblick, mehr bräuchten wir nicht.
Katharina Jun