7.6 Verhaltenskodex Gerricusstift

Das Gerricusstift bietet Lebensräume, in denen Menschen ihre Persönlichkeit, ihre religiösen und sozialen Kompetenzen und Begabungen entfalten können. Diese Lebensräume sollen geschützte Orte sein, an denen sie angenommen und sicher sind. Die Verantwortung für den Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, insbesondere sexualisierter Gewalt, liegt bei den haupt- und nebenberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den ehrenamtlich Tätigen, die in einem von Achtsamkeit geprägten Klima einander und den ihnen anvertrauten Menschen begegnen sollen.

Hierzu bedarf es der Aneignung von Fachwissen und der Schaffung von kurzen Beschwerdewegen.

Vor allem aber gilt es eine Haltung einzunehmen, die gekennzeichnet ist von wachsamem Hinschauen, offenem Ansprechen, transparentem und einfühlsamem Handeln im Umgang mit schutz- oder hilfebedürftigen Menschen und untereinander.

Die haupt- und nebenberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die ehrenamtlich Tätigen verpflichten sich zu folgendem Verhaltenskodex:

  1. Meine Arbeit mit den mir anvertrauten schutz- oder hilfebedürftigen Menschen ist geprägt von Wertschätzung und Vertrauen. Ich achte ihre Rechte und ihre Würde. Ich stärke sie, für ihr Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit wirksam einzutreten.
  2. Ich gehe verantwortungsbewusst und achtsam mit Nähe und Distanz um. Ich respektiere die Intimsphäre und die persönlichen Grenzen der mir Anvertrauten.
  3. Mir ist meine besondere Vertrauens- und Autoritätsstellung gegenüber den mir anvertrauten schutz- oder hilfebedürftigen Menschen bewusst. Ich handele nachvollziehbar und ehrlich. Beziehungen gestalte ich transparent und nutze keine Abhängigkeiten aus. 
  4. Ich toleriere weder diskriminierendes, gewalttätiges noch grenzüberschreitendes sexualisiertes Verhalten in Wort oder Tat. Ich beziehe dagegen aktiv Stellung. Nehme ich Grenzverletzungen wahr, bin ich verpflichtet, die notwendigen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen einzuleiten.
  5. Ich informiere mich über die Verfahrenswege und die Ansprechpartner des Gerricusstiftes, des Erzbistums Köln, meines (Spitzen-)Verbandes oder meines Trägers und hole mir bei Bedarf Beratung und Unterstützung.
  6. Ich bin mir bewusst, dass jegliche Form von sexualisierter Gewalt gegenüber den mir anvertrauten schutz- oder hilfebedürftigen Menschen disziplinarische, arbeitsrechtliche und ggf. strafrechtliche Folgen hat. Auf der Basis dieser Grundhaltung werden die nachfolgenden Verhaltensregeln festgelegt. Davon abweichende Ausnahmeregelungen müssen nachvollziehbar und transparent sein.
Gestaltung von Nähe und Distanz

In der Arbeit mit schutz- oder hilfebedürftigen Menschen geht es darum, ein adäquates Verhältnis von Nähe und Distanz zu schaffen. Die Beziehungsgestaltung muss dem jeweiligen Auftrag entsprechen und stimmig sein, insbesondere dann, wenn dadurch emotionale Abhängigkeiten entstehen oder entstehen könnten.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Die persönliche Anrede hat dem jeweiligen Kontext angemessen zu sein. Bewohner haben das Recht, gesiezt zu werden.
  • Herausgehobene, intensive freundschaftliche Beziehungen zwischen Bezugspersonen und schutz- oder hilfebedürftigen Menschen sind zu unterlassen.
  • Der Umgang mit den schutz- oder hilfebedürftigen Menschen wird so gestaltet, dass Menschen keine Angst gemacht wird und Grenzen nicht überschritten werden.
  • Individuelle Grenzempfindungen sind ernst zu nehmen und zu achten und nicht abfällig zu kommentieren. Grenzverletzungen dürfen nicht übergangen und müssen thematisiert werden.
Angemessenheit von Körperkontakt

Bei körperlichen Berührungen in der Arbeit mit Menschen sind Achtsamkeit und Zurückhaltung geboten, d. h. der Wille der Bewohner oder Mitarbeiter ist ausnahmslos zu respektieren.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Grundsätzlich wird vor körperlichen Berührungen nach dem Einverständnis gefragt.
  • Körperliche Berührungen haben dem jeweiligen Kontext entsprechend angemessen zu sein. Sie haben die freie und erklärte Zustimmung durch den jeweiligen Bewohner oder Mitarbeiter zur Voraussetzung.
  • Unerwünschte Berührungen und körperliche Annäherung – insbesondere in Verbindung mit dem Versprechen einer Belohnung oder der Androhung von Strafe – sind nicht erlaubt.
Sprache und Wortwahl

Durch Sprache und Wortwahl können Menschen zutiefst verletzt und gedemütigt werden. Verbale und nonverbale Interaktion sollen der jeweiligen Rolle und dem Auftrag entsprechen und an die Zielgruppe und deren Bedürfnisse angepasst sein.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Jede Form persönlicher Interaktion und Kommunikation hat in Sprache und Wortwahl durch Wertschätzung und durch einen auf die Bedürfnisse, die individuelle Lage und die Verständnisfähigkeit des jeweiligen Bewohners oder Mitarbeiters angepassten Umgang geprägt zu sein.
  • Es werden weder Kosenamen noch sexistische Sprache, Fäkaliensprache, Zynismus oder Verniedlichungen verwendet.
  • Bei sprachlichen Grenzverletzungen ist einzuschreiten und Position zu beziehen.
  • Das Sprachniveau wird an das der Bewohner angepasst. Es wird auf angemessene Lautstärke, Zeit für mögliche Antworten und eine verständliche Sprache geachtet (z. B. einfache, leicht zu erfassende Sprache).
Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe

Jeder Mensch hat das Recht auf Hilfe zur Selbsthilfe sowie auf Unterstützung, um ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Der Schutz und die Förderung von selbstbestimmtem Leben ist zu gewährleisten.

Aus diesem Grund gilt:

  • Jeder Bewohner hat das Anrecht auf selbstbestimmtes Leben. Im Rahmen dieser Selbstbestimmung entscheidet der Bewohner über seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche.
  • Das Anklopfen und Warten auf Antwort vor Betreten des Bewohnerzimmers ist selbstverständliches Handeln.
  • Die Wünsche des Bewohners in privaten, intimen oder persönlichen Situationen werden berücksichtigt.
Beachtung der Intimsphäre

Jeder Mensch hat das Recht auf Wahrung und Schutz seiner Privat- und Intimsphäre. Der Schutz der Privat- und Intimsphäre ist ein hohes Gut, das es zu wahren gilt. Spezielle Wohnformen, Pflegesituationen u. ä. sind in diesem Zusammenhang besondere Herausforderungen, bei denen man sich der damit verbundenen hohen Verantwortung bewusst sein muss.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Vor Beginn der Pflegehandlung fragen die Pflegekräfte, ob damit begonnen werden darf.
  • In Wohn-, Sanitär- oder vergleichbaren Räumen findet eine besondere Achtsamkeit im Umgang mit den jeweiligen Bewohnernstatt. Intime Situationen, wie z. B. bei der Intimpflege werden so gestaltet, dass sie respektvoll vonstattengehen und möglichst wenig das Schamempfinden des jeweiligen Bewohners berühren.
  • Gemeinsame Körperpflege mit Schutzpersonen, insbesondere gemeinsames Duschen ist nicht erlaubt.
  • Jeder Bewohner hat ein Anrecht auf Privat- und Intimsphäre. Diese ist ihm zu gewähren und darf von ihm im Sinne der Selbstbestimmung ausgelebt werden.
Zulässigkeit von Geschenken

Geschenke und Bevorzugungen können keine ernst gemeinte sinnvolle Zuwendung ersetzen. Sie gehören nicht zu fachlichen Maßnahmen, die dazu dienen, schutz- oder hilfebedürftige Menschen in unserer Einrichtung zu unterstützen. Vielmehr können exklusive Geschenke emotionale Abhängigkeit fördern.

Daher gehört es zu den Aufgaben der verantwortlich Tätigen, den Umgang mit Geschenken reflektiert und transparent zu handhaben.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Finanzielle Zuwendungen, Belohnungen und Geschenke an einzelne Bewohner, die in keinem Zusammenhang mit der konkreten Aufgabe der Bezugsperson stehen, sind nicht erlaubt.
  • Die Annahme von persönlichen Geschenken zu besonderen Anlässen wie Geburtstag, Weihnachten oder Abschied wird reflektiert und transparent gehandhabt. Von Dauergeschenken oder unangemessenen Geschenken wird Abstand genommen.
Umgang mit und Nutzung von Medien und sozialen Netzwerken

Der Umgang mit sozialen Netzwerken und digitalen Medien ist in der heutigen Zeit alltägliches Handeln. Um Medienkompetenz zu fördern, ist ein umsichtiger Umgang damit unablässig. Die Auswahl von Filmen, Fotos, Spielen und Materialien muss im Sinne eines achtsamen Umgangs miteinander sorgsam getroffen werden. Sie hat fachlich sinnvoll und am Bewohner orientiert zu erfolgen.

Wir beachten daher folgende Verhaltensregeln:

  • Schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene haben das Recht, neue Medien und soziale Netzwerke zu nutzen. Der Zugang dazu ist ggf. durch Begleitung, Unterstützung oder Aufklärung von Gefahren zu gewährleisten.
  • Bei Veröffentlichungen von Foto- und Tonmaterial bzw. Texten ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht am eigenen Bild zu beachten.
  • Bewohner und Mitarbeiter dürfen in unbekleidetem Zustand (umziehen, duschen …) weder beobachtet, fotografiert noch gefilmt werden.
  • Die Weitergabe von persönlichen Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Privatadressen sollte vermieden werden.
Regeln des Zusammenlebens

Die Regeln des Zusammenlebens müssen so gestaltet sein, dass die persönlichen Grenzen der Bewohner oder Mitarbeiter nicht überschritten werden.

Aus diesem Grund gilt:

  • Die Regeln des Zusammenlebens orientieren sich an den Bedürfnissen und individuellen Situationen der Bewohner oder Mitarbeiter.
  • Bei notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Regeln des Zusammenlebens ist jede Form von Gewalt, Nötigung, Drohung oder Freiheitsentzug untersagt. Fachliche und pflegerische Normen sowie das geltende Recht sind zu beachten.
Selbstauskunftserklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich keine Kenntnis von einem gegen mich eingeleiteten Ermittlungsverfahren aufgrund eines der Straftatbestände im dreizehnten Abschnitt (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) des Strafgesetzbuches (StGB) oder der Einstellung eines solchen Verfahrens habe. Weiterhin verpflichte ich mich bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, dem Rechtsträger hiervon unverzüglich Mitteilung zu machen und meine Tätigkeit ruhen zu lassen.