7. Woche 2016

Die falsche Sorge um das Abendland

Seit Monaten wird uns die Angst eingejagt, die bei uns lebenden Muslime wollten das Abendland abschaffen. Es gibt sicher einige kämpferische Muslime bei uns, auch unter den Flüchtlingen. Ich bezweifele, dass sie die Mehrheit ausmachen.

Meine Sorge um das Ende des Abendlandes kommt aus einem ganz anderen Grund. Wir Deutschen schaffen uns selber ab. Ich möchte Ihnen das an einigen Beispielen erzählen, die ich selbst erleben durfte.

Wenn der Ramadan, der islamische Fastenmonat beginnt, gibt es darüber eine Berichterstattung bis in die Nachrichten hinein. Über die Fastenzeit der Christen wird wenig berichtet. Ich vermute, dass unsere Fastenzeit kraftlos geworden ist und deshalb in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird.

Bei den Bastelarbeiten vor dem Martinsfest in einem Kindergarten bestanden einige Mütter darauf, dass ihre Kinder nicht am Laternenbasteln teilnehmen und man auch nur vom Lichterfest sprechen darf. Selbst wenn man nicht gläubig ist und deshalb nicht vom heiligen Martin sprechen will, bleibt die legendäre Mantelteilung ein Beispiel für abendländische Barmherzigkeit, die sich in den vielen Hospizen des Mittelalters bis in die Neuzeit hinein wiederspiegelt. Gott sei Dank haben viele Eltern, auch einige muslimische Mütter die Leiterin ermutigt, das Martinsfest zu feiern, weil es einen wertvollen Inhalt hat.

Ein langjähriger Mitarbeiter einer großen Klinik war verstorben. Weil er bis zu seinen Tod im Dienst der Klinik war, sollte in der Klinik eine Trauerfeier stattfinden. Da der verstorbene Christ war, wurden der evangelische und katholische Krankenhausseelsorger gebeten, die Trauerfeier zu gestalten. An sie wurde die Bitte aus der Klinikleitung herangetragen, mit Rücksicht auf die muslimischen Mitarbeiter die Feier nicht zu christlich zu gestalten.

Auch ich habe bedauert, dass Rosenmontag der Zug abgesagt werden musste. Ihn am Sonntag, den 13. März nachzuholen, demontiert den Brauch, dass der Rosenmontag der Höhepunkt vor Aschermittwoch und der Fastenzeit ist. Der Rosenmontag gehört vor den Aschermittwoch, nicht danach.

Viel gravierender ist es, die Kreuze aus den Gerichtssälen zu entfernen, weil sie auf die Grundlage hinweisen, auf denen unser Menschenbild und unsere Verfassung ruhen.

Die Muslime möchten gerne auch einige Feiertage als staatliche Feiertage anerkannt haben. Dafür reduzieren wir immer mehr die Sonntagsruhe und rebellieren gegen stille Feiertage.

Feindbilder retten das Abendland nicht, gefährden es eher. Wir selbst müssen unseren Standort finden. Oder im Bild ausgedrückt: die Glut unter Asche entfachen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Fastenzeit.

Ihr

Unterschrift Sülzenfuss
Karl-Heinz Sülzenfuss, Pfarrer und Leiter der Gemeinde

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