48. Woche 2017
Liebe Gemeindemitglieder,
Ob man es mir abnimmt oder nicht: Ich gehe alle zwei Wochen zum Friseur. Das muss sein. Um mir die Wartezeit zu verkürzen, blättere ich in den ausliegenden Magazinen, die ich mir persönlich nicht kaufen würde, und erfahre darin viel über die Intimitäten der wenigen noch in Europa verbliebenen Königshäuser. Die Redakteure scheinen stets bestens informiert darüber, was bei Hofe vor sich geht und worüber hinter den Kulissen getuschelt wird. Und wir lieben es, aus der weiten Distanz davon zu erfahren und wenigstens ein bisschen Glanz und Glitter mitzubekommen.
Nun feiert die Kirche am letzten Sonntag des Kirchenjahres ihren Herrn als König, als Christ König. Und der wirft alle unsere liebgewonnenen und prägenden Vorstellungen von einem König über den Haufen. Bei ihm geht es nicht um Glanz und Gloria. Er tritt uns vielmehr als ein König entgegen, dessen Reich nicht von dieser Welt ist.
Wenn Jesus sich als König bezeichnet, dann tut er das unter dem göttlichen Vorzeichen, dass wahres Herrschen Dienen bedeutet. „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, der soll der Sklave aller sein“ (Mt 20,26-27). Groß ist in den Augen Gottes derjenige, der sich klein macht. Herrschen tut derjenige, der dient.
Diese Lebenssicht hat Jesus Christus bis zum Letzten gelebt, bis ans Kreuz. Deshalb blicken wir am Christkönigssonntag auf einen sehr eigenwilligen König. Seine Krone ist aus Dornen geflochten, sein Purpurmantel dient seinen Feinden als Verhöhnung und Verspottung, sein Thron ist das Kreuz. Auf diesem Kreuzesthron wird er erhöht; er wird erhöht, um alle an sich zu ziehen. „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“ (Joh 12,32). Hier zeigt sich seine wahre Herrschaft.
Das zu begreifen fällt uns auch als Christen nicht immer leicht. Aber es ist der einzigartige Weg, auf dem Gott zu uns Menschen gekommen ist und zu dessen Nachahmung er uns aufruft.
Einen royalen Sonntag und eine gesegnete letzte Woche des Kirchenjahres wünscht Ihnen und euch
Oliver Boss, Pfarrer