37. Woche 2014

Liebe Schwestern und Brüder!

„Liebe ist nichts für Feiglinge“ – der Untertitel des Films „Schlussmacher“ scheint mir auch eine Zusammenfassung der Bibeltexte des heutigen Sonntags zu sein. Zumindest auf den zweiten Blick.

Denn zuerst wirken Evangelium und alttestamentliche Lesung auf mich durchaus befremdlich. Da wird dem Propheten Ezechiel harte Strafe angedroht, wenn er dem Schuldigen nicht ins Gewissen redet. Und ebenso fordert Jesus dazu auf, Sünden beim Mitchristen anzusprechen und u. U. sogar vor der ganzen Gemeinde publik zu machen. Ist das nicht das genaue Gegenteil von der Bergpredigt: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“? Hat ein solches Verhalten nicht zwangsläufig den Beigeschmack von Selbstgerechtigkeit?

Der Schlüssel, der hier gegen ein solches verkürztes Verständnis weiterhilft, findet sich in der zweiten Lesung aus dem Römerbrief. Da heißt es schlicht: „Nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.“

Es geht also keinesfalls um (Selbst-) Gerechtigkeit – das Evangelium, die frohe Botschaft, besteht stattdessen immer und immer wieder darin, dass wir alle glücklicherweise nicht nach menschlicher Gerechtigkeit gerichtet werden. Bei Ezechiel wird vielmehr deutlich: Gott will alles tun, um den Sünder zu retten – nur darum ist das Wort gegenüber dem Propheten so drastisch. Dahinter wird die Liebe Gottes zu dem sichtbar, der ins Verderben läuft. Kein Mitmensch, der das sieht und verhindern könnte, darf sich aus der Verantwortung ziehen. Und auch bei Jesus ist das Ziel klar: der Bruder (die Schwester) soll unbedingt zurückgewonnen werden! Wer mitbekommt, dass jemand auf ungute, zerstörerische Wege gerät, der muss alles versuchen und den darf das Schicksal des anderen nicht kalt lassen.

Nein, Liebe kann nicht bedeuten, unangenehmen Wahrheiten und Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Liebe ist nichts für Feiglinge.

Ich wünsche Ihnen den klaren und liebevollen Blick Gottes auf sich selbst und Ihre Mitmenschen – und Mut und Sensibilität, wenn es mal etwas anzusprechen gibt.

Ihre

Unterschrift Schweflinghaus
Christina Schweflinghaus, Pastoralassistentin

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