44. Woche 2020
Liebe Schwestern und Brüder,
in allen mir bekannten Sprachen verhält es sich gleich: Wenn ein Verb konjugiert wird, geschieht dies immer und unhinterfragt in der Reihenfolge: ich, du, er/sie/es. Alles beginnt stets mit dem „lieben ICH“, dann folgt das DU, also der Mitmensch, und erst an dritter Stelle kommt - im religiösen Sprachgebrauch - ER, der liebe Gott. Wobei Gott natürlich über jedem Geschlecht steht und durchaus auch als SIE begriffen werden kann. Aber hier geht es um die Reihenfolge, die auch eine eindeutige Rangfolge zum Ausdruck bringt: Erst das eigene EGO, dann kommt oft lange nichts, dann vielleicht das DU und erst danach GOTT.
Jesus selbst ist es, der die Reihenfolge neu sortiert. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,37-39). Gott, der Nächste und ich selbst, das ist die Reihenfolge Jesu. Unsere Verbkonjugation macht dabei einen Kopfstand. Jesus stellt - wie so oft - alles auf den Kopf; er reißt uns heraus aus den traditionellen Denkmustern. Er richtet seinen ersten Blick auf Gott, seinen und unseren Vater im Himmel, gefolgt vom Blick auf den Nächsten, der unsere Hilfe braucht, und dann erst geht es um mich selbst.
Dieser Kopfstand sei für die kommende Woche den Gelenkigen wie den Ungelenkigen (denen ich mich eher zurechne) gleichermaßen empfohlen.
Eine in diesem Sinne sportlich-gesegnete Woche wünscht
Ihr
Oliver Boss, Pfarrer