03. Woche 2023

Der lange Finger Johannes‘ des Täufers auf dem Isenheimer Altar ist mir seit einem Familienausflug ins Colmarer Museum im Gedächtnis geblieben. Matthias Grünewald platzierte den Täufer rechts vom Kreuz, im rechten Arm ein aufgeschlagenes Buch, der linke Arm mit einem überdimensionierten Zeigefinder auf den Gekreuzigten zeigend, zu seinen Füßen ein weißes Lamm mit Kreuzstab und Kelch. Obschon der Maler in den Armbogen des Täufers das Schriftwort Joh 3,30 „Jener muss wachsen, ich aber muss kleiner werden“ einfügte, höre ich beim Anblick dieses Gemäldes stets die Täufer-Worte: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ – so, wie wir sie im heutigen Evangelium und in jeder Heiligen Messe hören. Unter dem Kreuz – so die künstlerische Interpretation von Matthias Grünewald – erschließt sich den Betrachter*innen der ganze Zusammenhang: Das, was im ersten Bund (das Buch auf Johannes‘ rechtem Arm ist das Alte Testament) über den erwarteten Heilsbringer gesagt wird, und das, was Johannes heute bei der Taufe Jesu im Jordan bekannt hat, erklärt sich vollends in der Stunde des Kreuzestodes Jesu. Hier wird grausam sichtbar, dass Jesus der Christus ist, weil er das Lamm Gottes ist.

 

Der Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. war der Anlass, mir noch einmal seine Buchtrilogie „Jesus von Nazareth“ vorzunehmen. Dort deutet er einige Worte des ersten Testamentes als „wartende“ Worte. Es sind Worte, die für die Hörenden, Lesenden und Betenden in ihrem damaligen geschichtlichen Kontext (noch) keine Erklärung oder Erfüllung bereithalten konnten. Die Einlösung dieser Worte stand noch aus, darauf mussten die Glaubenden adventlich warten. Mit Gottes Menschwerdung sind sie aber nun eingelöst und erklärt: Jesus ist DAS Wort Gottes, das Ant-Wort ist auf die wartenden Worte des ersten Bundes. Vom Kreuz her erklären und erfüllen sich so auch die „wartenden Worte“ des Täufers im heutigen Evangelium. Der lange Finger, mit dem Johanes der Täufer auf den Gekreuzigten zeigt, erinnert mich wohl mein Leben lang daran.

Unterschrift Herz
Markus Herz, Pastoralreferent

Download

Zurück